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Doch – sowas gibt es noch!?

  Bild _by_Thorben Wengert_pixelio.de

 

Es ist Freitag, später Nachmittag. Meine Tochter ist auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Auf der Autobahn ist viel Betrieb, die Fahrt dauert viel länger als sonst, ach, und einkaufen muss sie auch noch. Das Wochenende steht vor der Tür und der letzte Einkauf ist schon ein bisschen her. Sie müsste dringend ihre Vorräte aufstocken.

Endlich zu Hause angekommen, kontrolliert sie noch schnell ihr Portemonnaie, während sie von ihren Stubentigern umkreist wird, die ihre Aufmerksamkeit einfordern, schließlich haben sie sie zuletzt am Morgen gesehen. Sie ist in Eile, streichelt schnell ihre beiden Katzen, füllt die Näpfe, schnappt sich die Handtasche und den Autoschlüssel und schon ist sie zur Tür raus.

Im Supermarkt angekommen, füllt sie den Einkaufskorb mit allem, was so gebraucht wird. Da kommt ganz schön was zusammen und schon bald steht sie an der Kasse, um Ihren Einkauf auf das Förderband zu legen. Mannomann, es ist ganz schön was zusammengekommen, aber was muss, das muss. Das Kassenband ist voll. Die Kassiererin zieht einen Artikel nach dem nächsten über den Scanner. Piep, piep, piep … 

Fast am Ende angekommen sucht meine Tochter schon einmal das Portemonnaie. Sie greift in ihre Tasche, aber – oje – das Portemonnaie ist nicht zu finden. Menno. Das liegt im Wohnzimmer auf dem Esstisch ... und damit auch Geld und Scheckkarte. Die Kätzchen haben sie abgelenkt und nun steht sie da, ohne Geld. Ach herrje, wie peinlich! Was soll sie denn jetzt machen!? Und die Kundenschlange hinter ihr ist auch ziemlich lang. Die Kassiererin blickt auf, sagt: „94,59 bitte!“ und meiner Tochter steht der Schweiß auf der Stirn.

„Es tut mir leid, ich habe mein Portemonnaie zu Hause vergessen, könnte ich vielleicht “ – weiter kommt sie nicht. Eine Dame hinter ihr sagt direkt zur Kassiererin: „Ich bezahl das für die junge Dame, kein Problem!“ Meine Tochter sieht sich um, schaut der netten Dame mittleren Alters ins Gesicht und kann es kaum fassen und ist erstmal sprachlos. Dafür sagt die Dame: „Machen Sie sich keine Gedanken, ich bezahl das jetzt erstmal für Sie. Das Geld können Sie mir dann später irgendwann überweisen. Das eilt nicht. Alles andere ist doch jetzt unnötiger Aufwand für alle Beteiligten.“ Meine Tochter, jetzt wieder Herr (Frau) ihrer Sprache: „Oh, das kann ich doch gar nicht annehmen, das ist doch soooo viel.“ „Alles gut, das machen wir jetzt so.“ und zur Kassiererin gerichtet: „Was macht das nochmal?“ Sie bezahlt und weiter geht’s.

Meine Tochter sammelt alle ihre „sieben Sachen“ vom Band ein und bedankt sich währenddessen immerfort. Sie kann es echt nicht glauben. „Vielen, vielen lieben Dank. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Aber nein, nein, das machen wir jetzt gleich. Ich überweise Ihnen das jetzt direkt im Anschluss – sofort – damit Sie sehen, dass ich das direkt bezahlt habe. Mein Portemonnaie habe ich leider vergessen, aber ich habe ja hier noch mein Handy. Ich bin Ihnen so dankbar, mir fehlen die Worte.“ Die Einkaufstaschen gepackt wartet meine Tochter nun darauf, dass die Dame hinter ihr auch ihren Einkauf erledigt hat und gemeinsam gehen sie auf den Parkplatz vor den Laden. Die Formalitäten sind schnell erledigt, ein Hoch auf das „Online-Banking“. Meine Tochter bedankt sich nochmal sehr herzlich, die Dame meint, das könnte doch jedem Mal passieren und ihr hat es nichts ausgemacht zu helfen. Sie freue sich, dass alles so unkompliziert gelaufen ist. Mit einem Lächeln im Gesicht verabschieden sich beide voneinander. Vielleicht sieht man sich nochmal …

Früher, da gab es noch Tante-Emma-Läden, bei denen man auch mal anschreiben lassen konnte. Heutzutage trifft man das nur noch äußerst selten an und schon gar nicht in den Supermärkten, die das Stadtbild prägen. Wäre diese Dame nicht dagewesen, hätte meine Tochter den Laden ohne Lebensmittel verlassen müssen und die Kassiererin wäre sicher auch nicht begeistert gewesen, einen Storno-Bon erzeugen zu müssen. Ja, es gibt sie noch, die netten hilfsbereiten Menschen, die Vertrauen haben. Hätten Sie es gedacht!? Und ob man Mobiltelefone nun gut findet oder nicht. Sie sind vielleicht Fluch und Segen zugleich. Meine Tochter sagt jedenfalls: „Gut, dass es sie gibt!“

Anja Drechsler