Der Taufsonntag im Jahreskreis

Impulse zum "Nachdenken"

 

Heute ist der 6. Sonntag nach Trinitatis, der Tauf- Sonntag in unserem Jahreskreis. Nicht, dass in Brechten nicht im Moment jeder Sonntag Tauf- Sonntag wäre! Über 70 Taufen haben der Kollege und ich in diesem Jahr durchgeführt, so viel wie nie zuvor. Das liegt an dem Corona- Rückstau, wie wir ihn immer nennen. Ich freue mich darüber, denn es ist ja ein schönes Signal, dass es vielen Eltern noch wichtig ist, dass ihre Kinder getauft werden! Und wenn ich sie frage, warum, gibt es vielfältige Antworten.

„Weil es dazu gehört“, antwortet ein Vater. „Wir sind alle in der Kirche. Damals haben unsere Eltern uns taufen lassen, und das war gut so. Und jetzt machen wir es genauso.“
„Mir ist es wichtig, dass meine Tochter was mitkriegt vom Glauben“, antwortet eine andere Mutter. „Dass sie die Geschichten mitkriegt aus der Bibel, und die christlichen Werte.“
Andere sagen: „Der Segen, der ist wichtig. Unser Kind soll spüren, dass immer einer bei ihm ist. Gott soll auf das Kind aufpassen. Es soll einen Schutzengel bekommen, der es beschützt.“

So oder ähnlich sind meist die Antworten. Es geht um Tradition, um Schutz oder Bewahrung, um Segen. Oder natürlich auch einfach um ein schönes Fest, mit dem das Kind sozusagen offiziell in der Familie begrüßt wird.

Dem Apostel Paulus würde das aber nicht reichen! Er beschäftigt sich im Römerbrief intensiv mit der Taufe. Und sagte: Taufe ist noch viel mehr, als dass der liebe Gott dein Kind beschützt. Taufe bedeutet: Wir werden auf geheimnisvolle Weise mit Christus verbunden. Die Taufe stellt zwischen dir und Christus eine Verbindung her, die so fest ist, dass sie nicht mehr zerstört werden kann. Ganz gleich, was in deinem Leben geschieht. Ganz gleich, was dir Angst macht und Sorgen bereitet: Diese Verbindung bleibt bestehen. Gottes Liebe ist dir sicher. So sicher wie das Amen in der Kirche.

Aber Paulus geht noch weiter! Er sagt: Wer getauft ist, ist schon jetzt ein Bürger des Reiches Gottes! Und das bedeutet: Du bist nicht mehr den Mächten und Gewalten unterworfen, die die Welt kennt. Diese Mächte wollen dir einreden, dass du alles allein schaffen musst. Dass Eigennutz siegt. Dass der Stärkere sich durchsetzen muss. Dass du immer stark, immer erfolgreich, immer obenauf sein musst. DU aber bist getauft! Du gehörst zu Gott. Und das heißt: Du kannst und du sollst dein Leben so gestalten, als ob das Reich Gottes schon da wäre. Du kannst großzügig sein und vergeben. Du kannst bei Gott Kraft schöpfen, dir helfen lassen. Du kannst Eigennutz und Egoismus über Bord werfen, und dich weigern, mitzuspielen im Spiel um Macht und Geld.

Die vielen Kinder, die ich gerade Woche für Woche taufe, wissen das noch nicht. Die Eltern vermutlich auch nicht. Sie kommen ja, weil es Tradition ist, weil sie sich Schutz erhoffen, Segen, Glück für ihr Kind, einen Anker in unsicheren Zeiten. Etwas, woran man sich festhalten kann.

Recht so, würde Paulus vielleicht sagen. Haltet euch fest an der Taufe. Sie gibt Halt. Getauft sein ist wunderbar. Und die Hoffnung besteht, dass das, was mal als diffuse Sehnsucht nach Schutz und Hilfe begann, irgendwann einmal zu einer festen Verbindung zu Gott wird – nicht nur für die Kinder, die wir taufen, sondern auch für die Eltern, die selbst als Kinder getauft wurden.

Manchmal kann man das erleben, auch bei Kindertaufen.

In der Kirche hat sich eine Familie versammelt, nur mit nahen Verwandten und engen Freunden. Der Vater ist beruflich ein hohes Tier: viel Verantwortung, viel Einfluss, viel Öffentlichkeit und nicht selten kalter Gegenwind. Wir stehen am Taufbecken. Gewässerte Hände berühren die Stirn des Babys. „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Du bist ein Kind Gottes. Gott gehe mit dir, er begleite und bewahre dich auf allen deinen Wegen.“

In dem Augenblick bricht es aus dem Vater heraus. Die ganze Anspannung der letzten Monate scheint von ihm abzufallen. Er hat Tränen in den Augen, steht da, ringt um Fassung. Ein dichter Moment.

Er weiß, wie das ist: Sterben vor Angst und wieder auferstehen. Er kennt die Sehnsucht, dass alles Schwere und alle Fehler wirklich hinter einem liegen. Vergessen, ausgelöscht, getilgt, unauffindbar. Sehnt sich danach, dass einer auch zu ihm sagt: Ich bin bei dir. Du bist wertvoll, auch wenn du gerade nicht Höchstleistung bringst. Da, schau, da ist dein Kind: dir anvertraut. Und ihr alle zusammen seid Gott anvertraut. Er lässt euch nicht allein.

So sind Menschen oft bei der Taufe dabei, haben Tränen in den Augen oder ein Lächeln im Gesicht oder beides gleichzeitig – und sehnen sich nach neuem Leben.

Die alleinerziehende Mutter streichelt dem Kind über den Kopf, hält das Kind ganz fest - und sehnt sich nach Halt.

Der Großvater, der sich mit der Familie überworfen hatte, steht etwas außen am Rand dabei und schaut seinem Enkelkind in die Augen – und sehnt sich nach Harmonie und Frieden.

Der Mann mit schwieriger Vergangenheit lässt sich taufen, vordergründig, weil er einen Job bei der Diakonie annehmen möchte: Er spürt das Taufwasser auf der Stirn, spürt die warme Hand, die ihn segnet, und sehnt sich nach einem festen Glauben. Und nach einem Ort, wo er angenommen ist.

Wisst ihr nicht, was es bedeutet, getauft zu sein? schreibt Paulus. Vielleicht wissen wir es ja wirklich nicht. Aber wir spüren es. Erst durch ein ganzes Leben hindurch gewinnen seine Sätze an Tiefe. Wir sterben mit Christus unsere kleinen Tode und erstehen mit ihm wieder auf. Wir weinen und lachen, zögern und gehen vorwärts, verzweifeln und fassen neuen Mut. Wir machen Fehler und finden doch wieder zu den Menschen, die uns lieben. Wir suchen vergeblich und finden dann doch.

Und spüren, dass der Glaube immer wieder trägt, Tag für Tag, Jahr um Jahr. Dass er uns sagt, was das Richtige ist. Wenigstens im Bauchgefühl. Und dass Gott da ist.