Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen!    Jesaja 5,20

Bei „süß“ und „sauer“ mag mancher noch an die Kinder denken, die am 31.Oktober vor der Haustür standen und Süßigkeiten oder anderes erwarteten. Wer sich dem versagte, musste mit einer „Bestrafung“ durch die Kinder rechnen: ob Mehl im Briefkasten oder anderes.

Hier geht es aber  um mehr. Es geht um die Verdrehung von Gut und Böse, von Licht und Finsternis. Gemeint ist: Gutes wird als Böses bezeichnet und Böses als gut bewertet. Ebenso wird Licht und Finsternis verkehrt dargestellt. Wer sich auf einen süßen Kaffee einstellt und beim Trinken erst feststellt, dass er versalzen ist, weiß sich getäuscht. Nichts anderes ist mit diesen Ausdrücken gesagt.       Es geht um Wahrheit und Lüge in unseren Worten, Verhalten und Taten. Niemand soll getäuscht und werden. Jedem Wort sollte man vertrauen können, dass es der Wirklichkeit entspricht. Jedem Verhalten uns gegenüber sollte man gewiss sein können, es ist ehrlich. Jeder guten Tat – und es gibt viele – sollte man glauben, dass sie von Herzen kommt, um uns und anderen zu helfen.

Doch diese Motivation von Worten, Verhalten und Taten ist oft nicht gegeben.

Ob im Alltag unseres Lebens, in der Darstellung von Gruppen und in der politischen Verantwortung in Parteien und Gremien entspricht vieles nicht der Tatsächlichkeit. Menschen nutzen die  Möglichkeiten, um ihre eigenen Ziele zu erreichen oder durchzusetzen. Wie soll man sonst den Streit mit den Nachbarn verstehen, das Argumentieren in Gruppen und Vereinen deuten und auf der politischen Ebene aufnehmen? Immer wieder passiert es , dass man seine Argumente sachlich darstellt, um persönlichen und gruppenegoistischen Nutzen daraus zu ziehen.

Nicht viel anders ist es im Verhalten unter den Menschen. Nicht jede Frage ist so gemeint, wie sie dahin gesagt wird. Die Antworten auf die Frage: „Wie geht es Ihnen“ wird oft nur oberflächlich aufgenommen mit einem „gut“, weil man sich nicht mit seinen Nöten, Ängsten und Beschwerden dem anderen gegenüber öffnen will. Auch der Umgang unter den erwachsenen Menschen ist oft nicht  ehrlich, wie bei dem Kind, das sich riesig freut, im Geschäft von einer älteren Frau angesprochen zu werden und nachher sagt: „Ach diese Alte!“ Nicht Wenige verhalten sich der Form nach freundlich und vertrauensvoll, um bei anderen einen guten Eindruck zu machen und verstecken damit ihr eigentlich Inneres. Viele sind in der Begegnung mit anderen, manchmal auch gegenüber den Nächsten im Gesicht freundlich und im Nachhinein die Unfreundlichkeit bis hin zur Gemeinheit selbst.

Nicht viel anders ist es mit den Taten und dem Einsatz für andere. Wir sind froh für alles Gute von Menschen und ihrem Einsatz für die Notleidenden der Welt. Das ist mit sehr vielen Opfern an Zeit und Geld verbunden. Doch wer kann sich davon schon freisprechen, es nicht um des eigenen Ansehens willen zu tun? Bleibt dann der Dank und die Anerkennung durch andere aus, zieht man sich selbst zurück. Die Selbstlosigkeit im sozialen und diakonischen Handeln ist zur Mangelware geworden.                  

Doch noch wesentlicher hat das der Prophet Jesaja in seinem frühen Wirken erfahren und seinem Volk das sechsfache „Wehe“(Jesaja 5, 8-25) im Auftrag Gottes zugerufen, gegen: die Ansammlung von Häusern und Äckern; den Verfall an den Alkoholismus; das programmierte „Sich-mit-Schuld-Beladen“; das Verdrehen von Gut und Böse, Licht und Finsternis süß und sauer; das sich selbst für weise und klug halten; die Rechtsberaubung.

Gegen solches Verhalten und Tun sagt er das Gericht Gottes an, das sich dann in der Geschichte des Volkes Gottes durch die Assyrer vollzieht(Jesaja 5, 26-30). Sieht Gott auch in einer langen Zeit die Schuld und das Unrecht der Menschen, so lässt er weithin auch Unkraut unter dem Weizen wachsen, so ist seine Geduld und seine Barmherzigkeit in der Geschichte nicht grenzenlos. Wer seinen Ruf zur Umkehr wie die Menschen in Ninive nicht ernsthaft annimmt und umkehrt, verfällt seinem Gericht - manchmal schon in der Weltgeschichte oder dann dem zukünftigen Weltgericht.

Darum ist das „Wehe“ Gottes immer wieder ein Rückruf in die Geschichte Gottes, damit wir das Heil erfahren und Zukunft gewinnen.

Es lohnt sich tatsächlich: nicht auf die Ansammlung von Reichtum zu setzen, der Alkoholabhängigkeit zu widerstehen; dem programmierten Schuldigwerden zu entfliehen; der Verdrehung von Wahrheit und Lüge zu entsagen, dem Hochmut fernzubleiben und sich für das Recht der Hilfsbedürftigen einzusetzen.

Wer so das „Wehe Gottes“ aufnimmt, der wird frei, auf Menschen zuzugehen und unter dem Segen Gottes zu leben.

 

Siegward Busat