“Wer kann uns scheiden von der Liebe Christi?“ Römer 8,35
Ich muss an jenes Ehepaar denken. Durch Jahre und Jahrzehnte waren wir im Kontakt. Das Miteinander war für uns und unsere Kinder eine gute Bereicherung. In Gesprächen, gegenseitigen Besuchen und Feiern waren wir eng miteinander verbunden. Immer wieder auch im Austausch am Telefon. Der Glaube an Jesus Christus führte uns zusammen, so dass wir auch in unseren Gebeten aneinander dachten. So blieb kein Bereich aus. Über Gott, Menschen, Gesellschaft und Welt kamen ins Gespräch. Wir waren getragen von der Gewissheit, Gott ist in seiner Liebe für uns da. Durch Jesus Christus fanden wir Vergebung unserer Schuld. Aus Bindungen führte er uns in die Freiheit. Wir erhielten Orientierungen für unseren Alltag. Eine großartige Hoffnung auf Gottes kommendes Reich ließ uns auch das Leid und die Ungerechtigkeit in der Welt aushalten.
Bedenke ich den Alltag dieses Ehepaares, so waren sie ein gutes Gespann. Sie teilten ihren Alltag miteinander, schafften vieles in gemeinsamer Absprache, nahmen sich Zeit füreinander und waren füreinander da. Auch Konflikte und Probleme mit den Kindern und in der christlichen Gemeinde wurden gesehen und gemeinsam angegangen. Sicher waren beide Ehepartner nicht fehlerlos. Jeder hatte auch seine festen Gewohnheiten und Kanten und Schwächen. Was sie aber durch Jahre und Jahrzehnte über das Fest der Goldenen Hochzeit zusammen hielt, waren ihre Zuneigung und herzliche Liebe. Sie liebten sich sehr und fanden immer neue Programmpunkte ihres Lebens, die sie zusammenschweißten und aufs Neue verbanden. So konnten sie auch trotz vieler Herausforderungen sich gemeinsam in die Zukunft wagen. Ihre Beziehung wurde immer enger, so dass einer sich für den anderen verantwortlich wusste und keiner vom andern lassen konnte. So waren sie auch im Alter auf ein gemeinsame Zukunft aus – ohne dass einer denken konnte, den anderen zu verlieren.
Dann aber geschah es. Eingeladen zu einer großen Feier außerhalb des Wohnortes bei gut Bekannten und Freunden nahmen sie daran teil. Als sie beide am neuen Tag erwachen und sich fertig machen für den weiteren Weg, bricht sie zusammen, fällt auf den Boden und stirbt. Ärztliche Hilfe und Hilfsmaßnahmen bringen keine Änderungen. Wie von unsichtbarer Hand ist der liebste Mensch von seinem Ehepartner abgeschnitten, unwiederholbar abgetrennt.
Auch wenn noch nicht alles sogleich fassbar ist, so überfällt den Ehemann die Trauer, der tiefe Schmerz und das nicht verstehbare Leid. Warum trifft es ihn? Sie hatten doch eine so gute gemeinsame Zeit und noch so vieles vor. Wie soll das alles weitergehen und wie kann er ohne sie die weiteren Schritte wagen? Noch immer ist er mit Gott im Konflikt und kann ihn nicht verstehen, dass seine große Liebe noch nach Jahrzehnten durch den Tod von ihm gerissen wurde, auch wenn er sie in Gottes neuer Welt weiß. Neue Herausforderungen brechen im Alltag auf. Wie kann er das alles allein schaffen? Sicher die Kinder und Enkel lassen ihn nicht allein – doch einsame Stunden der Erinnerung und des tiefen Schmerzen lassen ihn nicht los. Doch die Liebe zu seiner verstorbenen Ehefrau lässt ihn immer noch dankbar zurückschauen und an ihr festhalten – bis er sie endlich freigeben kann in Gottes Hand.
Was in der Beziehung bei den Menschen immer wieder zur schmerzlichen Erfahrung wird, weil Streit, Auseinandersetzungen, Seitensprüngen zur Trennung und zur Scheidung führt, bleibt eine unwiderrufliche Belastung für jeden Menschen, wie immer er es auch überspielen mag. Wenn jedoch Gott einen vertrauten Menschen von der Seite des Liebsten, des Christen, reißt, ist das eine große Herausforderung, die mit der Zeit bejaht werden kann und zu neuen Aufbrüchen führt, in der das bisher gemeinsame Erfahrene dankbar in Erinnerung bleibt und Neues gewagt werden kann; denn auch dann hört Gottes Liebe nicht auf. Er bleibt dem Christen zugewandt, durch Leid und Trauer, Anfechtung und Verfolgung bis in sein kommendes Reich.
Dessen ist Paulus gewiss. Er fragt in der Gewissheit: „Wer kann uns scheiden von der Liebe Christi?“
Paulus zählt mögliche Herausforderungen und Gefahren auf: „Trübsal… Angst… Verfolgung… Hunger… Blöße… Gefahr oder Schwert… weder Tod noch Leben… Engel… Mächte… Gewalten... Gegenwärtiges… Zukünftiges… Hohes…Tiefes noch irgendeine andere Kreatur“ (Römer 8,35 und 38).
Umfassend ist es gesagt: Gottes Liebe ist grenzenlos, alles einschließend und durchwirkend, Zeit und Ewigkeit umfassend.
Wer sich einmal der Liebe Gottes öffnet und in dem Geliebtsein Gottes bleibt, wird Gott einst schauen in seinem unbegreiflichen Liebeswirken, das eine unbeschreibliche Zukunft für den an Jesus Glaubenden eröffnet.
Siegward Busat