“Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag!“   Sprüche 3,27

Wir alle haben unterschiedliche Güter, Veranlagungen und Finanzen, die uns zur Verfügung stehen. Das betrifft alle Menschen, egal welcher Religion und Ideologie sie angehören. Auch ernstzunehmende Christen sind davon nicht ausgenommen. Darum muss die Erwartung, was einer für andere einsetzen kann: für Diakonie, Mission und soziale Einrichtungen immer unterschiedlich ausfallen. Doch das ist nicht bei allen im Blick.

Da schreibt mir eine Frau, die einer christlichen Gruppierung angehört, in der es üblich ist und von jedem erwartet wird, dass jeder zehn Prozent von seinem monatlich verfügbaren Geld als Opfer in die Gemeinde bringt, auch für sie verbindlich ist, da sie allein vom Sozialamt lebt und nur das Nötigste zum Leben hat. Und wenn sie das dann nicht leisten kann, ist sie dann nicht richtig Christ oder wird man sie dann aus der christlichen Gruppe rausschmeißen?    

Die erwarteten zehn Prozent, gemeint ist der Zehnte von allem, was einkommt, waren das Erwartete von Gott nach dem Einbringen der Ernte in Israel.  Es war nicht nur eine gute Regel, sondern gleich einem Gesetz Gottes. So lesen wir: „Alle Zehnten im Lande, vom Ertrag des Landes und den Früchten der Bäume, gehören dem Herrn und sollen dem Herrn heilig sein“ - also Gott gehören, für seine Anliegen zur Verfügung stehen - (3 Mose 27,30).  Und bei einem Propheten finden wir die Ermutigung des Volkes Israel: „Bringt aber den Zehnten in voller Höhe in mein Vorratshaus, auf dass in meinem Hause Speise sei, und prüft mich hiermit, spricht der Herr Zebaoth, ob ich euch dann des Himmels Fenster auftun werde und Segen herabschütten die Fülle“(Maleachi 3,10).

Viele Christen haben sich in der Geschichte das zu einer guten Orientierung gesetzt, nicht als ein Gesetz Gottes, das zwingend einzuhalten ist, sondern als verantwortliche Regelung ihrer Finanzen und Zeichen, das alles, was wir sind und haben, Gott zuerst gehört – und Gott hat sie nicht zu kurz kommen lassen, weil sein Segen darauf ruht. Doch ein Zwang dazu darf in der christlichen Gemeinde keinem auferlegt werden; denn Gott will ein volles Leben auch für den, der in Armut oder vom Sozialamt lebt.

Das belegt schon der Monatsspruch: „wenn deine Hand es vermag“. Niemand wird von Gott überfordert und Christen sollten es mit ihren Erwartungen und Festgelegtheiten andern gegenüber auch nicht tun. Wer heute alles opfert, hat morgen nichts mehr zum Leben und ist auf die Hilfe anderer angewiesen. Darum gehört zum verantwortlichen Umgang mit Gütern und Geld, dass wir für uns  und unsere Familien heute und morgen Sorge tragen. Was dann nicht notwendig ist, darauf kann man verzichten, es weitergeben und für das Reich Gottes, in Diakonie, Mission und Soziales opfern.

Nüchtern muss jedoch gesehen werden, Christen sind in ihrem Lebensstil in einer Welt, wo die meisten mehr für sich ausgeben als nötig. Das verliert sich auch in Zeiten hoher Zinsen und Inflationssteigerungen nicht. Man will sich eben auch etwas leisten können – eben einmal und wiederholt, auch wenn man nicht reich, aber auch nicht zu den Armen zählt. Immer wieder steht Neues zur Anschaffung an. Die Werbung und die Mode ziehen jeden in ihren Sog des Mitmachens. Wer will da als Christ noch zurückstehen?

So rückt uns die Anfrage an Kopf und Herz. Was haben wir noch übrig für den ehrlich Bedürftigen neben uns und in der weiten Welt. Wer kann sich da noch drücken vor den Flüchtlingen, Kriegsgeschädigten, den Süchtigen und den einsam Zurückgebliebenen in Gesellschaft und Welt. Sicher es wird vieles im Sozialen aufgebracht. Man denke nur an die musikalischen Fernsehsendungen mit hohen Spendenaufkommen, an die großen Stars mit ihren persönlich eingegangenen sozialen Verpflichtungen. Das alles ist erfreulich und zeigt wahrgenommene Verantwortung. Aber damit sind wir, jeder ganz persönlich, dem Anruf Gottes noch nicht gefolgt; denn es geht nicht um die anderen, sondern um uns, um mich, ob ich den Bedürftigen in meiner Welt sehen will, wahrnehme, mich an seine Seite stelle und tatkräftig mithelfe.

Dabei setzt der noch nicht unbedingt genug ein, der sich mit dem Zehnten vor Gott und Menschen absichern will, weil ein Mögliches mehr leistbar wäre.                                                                                          Und der, der aufgrund seiner finanziellen Situation kaum eine Hand frei hat, anderen zu helfen, hat vielleicht nur ein „Scherflein“ weiterzugeben, das auch unter dem Segen Gottes steht.

Der Umgang mit unseren finanziellen Möglichkeiten bleibt an jeden von uns eine uns ständig begleitende Frage, wenn wir unser Leben aus Dankbarkeit vor Gott leben und in Verantwortung gegenüber allen Geschöpfen wahrnehmen.

Siegward Busat