Drucken

"Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz"

Ganz sicher kennen Sie auch diese Redensart – aber haben Sie je über die tiefere Bedeutung nachgedacht? Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich mich bisher auch nicht näher damit beschäftigt habe, bis in Regierungskreisen darüber gestritten wurde, ob die Äußerung „Ich bin stolz, ein Deutscher (eine Deutsche) zu sein“, positiv oder negativ zu bewerten sei. Jeder von uns ist auf irgendetwas stolz.

Das kann eine bestandene Prüfung sein, eine berufliche Leistung, eine intakte Familie, ein gewisser Lebensstandard, den man sich hart erarbeitet hat.Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen!

Diese Art von Stolz scheint mir durchaus berechtigt, denn jeder hat etwas dazu beigetragen, um zu erreichen, worauf er nun stolz sein kann. Allerdings sollte das nicht da-zu führen, dass man auf einen anderen herabsieht, denn die, die über einen weniger guten Schulabschluss, eine weniger umfassende Ausbildung als ich verfügen, müssen deshalb nicht dümmer oder fauler sein.
Jemand, dessen finanzielle Situation wesentlich schlech-ter ist als meine, ist deshalb nicht weniger fleißig oder weniger bemüht als ich. Viele Voraussetzungen und Umstände können für die Entwicklung eines menschlichen Lebens eine bedeutende Rolle spielen. Es sind häufig Dinge, die wir selbst nicht beeinflussen können. So habe ich mir auch meine Nationalität nicht selber ausgesucht. Weil meine Eltern sie schon besaßen, wurde ich sozusagen hineingeboren, ohne dass man mich gefragt hätte, ob ich damit einverstanden bin.
Ich lebe gern in Deutschland, weil ich es für ein freies, demokratisches Land halte, dass seinen Bürgern viele Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Auf der anderen Seite erkenne ich auch die vorhandenen Mängel und Fehler, wie sie in den meisten Ländern mit ähnlicher Staatsform vorkommen.
Es wäre deshalb für mich kein Problem beispielsweise in England oder Frankreich zu leben. Diese Länder kenne ich, durch mehrere Aufenthalte und durch dort lebende Freunde, gut. Die Formulierung, die ständig durch die Medien geisterte, erinnert mich unangenehm an die Bibelstelle, in der sich der Pharisäer ausdrücklich bei Gott dafür bedankt, dass er „nicht ist wie jene Zöllner.“ Diese Einstellung hat nichts mit Stolz zu tun, sondern ich würde sie als Hochmut und Überheblichkeit bezeichnen.
Diese Art von „Stolz“ geht mir völlig ab, denn sie macht auf mich den Eindruck, als ob gerade die, die besonders auf ihr „Deutschtum“ pochen, offensichtlich sonst nichts haben, auf das sie stolz sein könnten. Jede Nation hat etwas vorzuweisen, auf dass die Menschen, die ihr angehören, stolz sein können. Ich habe nicht das Gefühl, mein deutscher Pass gibt mir da eine größere Berechtigung als einem Menschen mit anderer Staatsangehörigkeit.