Unverbindlich grüßen!

Geschichten mitten aus dem Leben

 

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by_Stephanie Hofschlaeger_pixelio.de

  Wir sind auf dem Weg zu unserem Feriendomizil in Nordfriesland. Die Autobahn haben wir nun schon hinter uns gelassen und wir sind sozusagen auf der Zielgeraden und fahren gerade über eine Landstraße weiter Richtung Norden. Mein Mann fährt, den Blick auf die Straße gerichtet, und ich betrachte währenddessen immer gern die Landschaft, die während der Fahrt an uns vorüberzieht. Rechts und links der Landstraße befinden sich breite Radwege, dahinter erstreckt sich das typisch flache Land. Ich sehe Windräder, viele Windräder, Bäume, Sträucher, Felder, Weiden, Kühe und Kälbchen in allen farblichen Schattierungen, die diese Spezies so zu bieten hat. Wir kommen an Schafen, Lämmern und Ziegen vorbei. Sie liegen faul im Gras oder fressen genüsslich oder gelangweilt – man weiß es nicht so genau. Manche Lämmer laufen ihren Müttern hinterher auf der Jagd nach Muttermilch. Einfach eine schöne Landschaftsidylle. So darf Urlaub anfangen. Auf der rechten Seite sehe ich einen Feldweg, auf dem sich eine größere Gruppe von Fahrradfahrern nähert. Ich schätze so 10 bis 15 Fahrradfreunde haben sich zu einer schönen Landpartie zusammengetan, um das herrliche Wetter zu nutzen und die Gegend zu erkunden.

Ach schön, denke ich mir so, hier Fahrradfahren ist schon toll. Sicher wollen die jetzt gleich hier auf den Radweg und kommen uns gleich entgegen. Vielleicht möchten sie die Straße auch nur überqueren und dann weiter durch das platte Land fahren.

Als ich nach vorne schaue, sehe ich am Horizont verdächtig viel Glitzern und Blitzen und Funkeln. Neugierig schärfe ich den Blick. Unverkennbar. Dort kommen ein paar Motorräder, gut gepflegte Motorräder, auf uns zu, sonst würde es ja nicht so schön glitzern. Und mein Mann sagt schon: „Achtung! Nicht erschrecken! Gleich wird es etwas lauter!“ Und es dauert auch gar nicht lange, da hört man auch schon das Brummen der Maschinen. Es sind nicht nur ein paar Motorräder – auch hier haben sich ganz viele Biker zusammengefunden. Bestimmt 20 bis 25 Motorräder nähern sich allmählich und ich überlege, wohin die denn wohl unterwegs sind. Zu einem Biker-Treffen oder einem Rockkonzert oder düsen die nur so durch die Gegend, um ihre schönen Maschinen zu präsentieren? Wer weiß? Das Brummen wird immer lauter, allmählich erkennt man auch die Menschen, die diese Fahrzeuge lenken. Allesamt dunkel gekleidet, Lederkutten mit Lederriemen, dunkle Helme, verspiegelte Visiere oder Brillen. Jetzt bin ich kein Motorradfahrer oder -Fan, das wäre zu viel gesagt, aber schön und imposant finde ich manche Motorräder schon und neugierig und erwartungsvoll recke ich den Kopf, um mehr zu erkennen. Sowas sieht man ja nicht alle Tage. Sind das junge Leute oder eher etwas ältere? Was sind das für Bikes? Sind da auch sog. Shopper dabei? Ich denke noch so bei mir:

„Lustig. Biker treffen auf Biker. Die einen etwas langsamer und leise und ruhig, die anderen schneller, lauter und protzig. Ich finde das Bild so für sich schon schön und wäre ein Foto wert.

Mittlerweile hat die Fahrradgruppe auch den Radweg längs der Landstraße erreicht. Die Radfahrer müssen die Motorräder natürlich ebenfalls gehört haben, so laut wie das Motorengeräusch mittlerweile ist. Und just in dem Augenblick, als die Fahrradfahrer die Motorradgruppe dann auch erblicken, heben die Fahrradfahrer nach und nach die Hände zum Gruß und ich bin gespannt, was nun passiert: Die Motorradfahrer verlangsamen tatsächlich ihre Fahrt und grüßen einer nach dem anderen zurück – rauschen dann nach und nach an uns vorbei und lassen uns staunend zurück. Einfach toll!

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe: Machen sich die Biker über die Fahrradfahrer lustig und schütteln verständnislos den Kopf? Oder sind sie so cool, dass sie die Fahrradfahrer einfach ignorieren? Kennen die sich vielleicht? Obwohl ich das eher nicht glaube. Gehofft habe ich schon, dass sie zurückgrüßen, doch in der heutigen Zeit kann man das ja nicht immer voraussetzen. Umso schöner ist das.

Mein Mann und ich sind begeistert und werden dieses Bild nicht so schnell vergessen. Wir freuen uns aufrichtig, wo doch gerade diese Geste des Grüßens im Alltag allmählich verschwindet. Das Leben ist anonymer geworden, introvertierter oder misstrauischer und von Vorurteilen behaftet!? – Schade eigentlich.

Es ist heutzutage oft so, dass man jemanden grüßt, aber nicht unbedingt zurückgegrüßt wird. Sei es in öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn man sich zu jemanden setzt, bei Arztbesuchen, wenn man z. B. ein Wartezimmer betritt oder wenn man einfach spazieren geht oder mit dem Fahrrad fährt und Leuten begegnet. Warum ist das so? Bricht man sich denn wirklich den sogenannten Zacken aus der Krone, wenn man einfach mal nett ist und zurückgrüßt, und sein Gegenüber wahrnimmt. Muss ja nicht gleich etwas dahinterstecken. Man muss die Leute doch auch gar nicht unbedingt kennen, aber man darf sie doch wahrnehmen. Ist es wirklich so schlimm und anstrengend, einen Gruß zu erwidern.

Genauso unschön ist es übrigens, wenn man einen Ort verlässt, ohne „Tschüss“ oder „Auf Wiedersehen“ zu sagen. Nennen Sie mich altmodisch. Egal. Ich finde, ein bisschen Anstand und Höflichkeit hat noch niemandem geschadet.

 

Anja Drechsler