Kurzpredigt Mai 2025
„Zu dir rufe ich, Herr; denn Feuer hat das Gras der Steppe gefressen, die Flammen haben alle Bäume auf dem Feld verbrannt. Auch die Tiere auf dem Feld schreien lechzend zu dir; denn die Bäche sind vertrocknet.“ Joel 1, 19 – 20
Joel, dessen Name bedeutet „Jahve ist Gott“, ist Prophet Gottes. Er richtet sich an das Volk Israel. Er weist auf die erst kürzliche geschehene Naturkatastrophe, die es in der bisherigen Geschichte noch nie in diesen Ausmaßen gegeben hat. Seine Zeitgenossen haben sie miterlebt. Sie werden aufgerufen, dieses Vorgehen Gottes den Kindern ins Gedächtnis zu prägen. Damit bringen sie zum Ausdruck Nahrung und ein Dach über dem Kopf, sind keine Selbstverständlichkeit. Immer ist der Mensch wie das Tier abhängig vom Schöpfer, der im Übermaß geben kann und zugleich - wenn der Mensch sich überschätzt und zum Macher aller Dinge erklärt - alles zurücknehmen kann. Dann steht der Mensch vor dem Nichts. Er liefert sich Gott aus oder er verfällt der Resignation. Nur in der bewussten, vertrauten Abhängigkeit von Gott kann der Mensch das Leben im Heute und Morgen der Geschichte gestalten und mutig in die Zukunft blicken.
Das ist die Absicht Gottes in dieser prophetischen Ansage – andere folgen noch im Prophetenbuch -. Dabei bleibt es unwesentlich, ob diese Naturkatastrophe, von der Joel spricht, durch eine oder wiederholte Heuschreckenplagen (Joel 1,4) passiert, die in seinem Blickwinkel die Erde zerstört haben; denn nichts blieb mehr zur Nahrung von Mensch und Tier ( Joel 1, 4)
– oder ob es sich schon sinngemäß auf die anrückenden Feinde Israels bezog, die in der Vergangenheit Israel einnahmen. So in den Worten des Propheten: „Denn ein Volk kam über mein Land, gewaltig und nicht zu zählen; seine Zähne wie Zähne von Löwen, sein Gebiss wie das einer Löwin.“ Damit macht der Prophet die feindliche Grausamkeit deutlich. Was bleibt schon übrig von Mensch und Tier, wenn der Löwe sie in seinem Maul zerkleinert und verschlingt. Dann hört die Machbarkeit des Menschen auf. Er steht vor dem Nichts – und ist angewiesen auf Gottes gnädige Zuwendung.
Auslöser dieser Katastrophen ist nach Meinung von Joel nicht der Mensch, sondern Gott, der auf diese Weise die Menschen in ihre tatsächliche Wirklichkeit ruft: allein vom Schöpfer abhängig!
Indem der Prophet zu Gott, dem Herrn, ruft, wird „Die Gemeinschaft der Not…zur Gemeinschaft mit Gott“ … Sein „Gebet… ist das Rufen eines Menschen, der sich mit der gesamten Kreatur von Gott getroffen weiß und doch nicht anders kann, als sich nach der Hand auszustrecken, die ihn geschlagen hat.
Darin verbirgt sich der tiefste Stachel und das schwerste Rätsel der Glaubensnot, die es dem Propheten verwehrt, sich gleich mit einer Bitte um Befreiung an Gott zu wenden; er kann nur die Klage vor Gott wiederholen und kleidet seine eigene Sehnsucht nach Gott in das tiefempfundene Bild vom Wild des Feldes, das verschmachtend sich reckt nach dem einzigen Helfer…(Ps. 104,21; Röm. 8,19)“ (ARTUR WEISER, ATD, Band 24, S. 111).
Diese Not, die hier aufgezeigt ist, wird transparent “im Lichte des eschatologischen (endzeitlichen) Gotteshandelns. Von daher erst erhält das augenblickliche Unglück seine ganze Wucht und den Ernst der Verantwortung im Blick auf das von Gott gesetzte Ende des Geschehens. So wirft“ Joel 1,15 „zugleich ein Licht auf die vorausgehenden Worte des Propheten…auf das folgende Gebet, das dadurch seine besondere Bedeutung bekommt, dass es unter dem Aspekt des hereinbrechenden Tages Jahwes gesprochen ist“ (ARTUR WEISER, S. 111).
Das führt dann Joel in seinem Buch weiter als Gottesspruch aus: „Und ich gebe Zeichen am Himmel und auf Eden: Blut, Feuer und Rauchsäulen. Die Sonne wird sich in Dunkel verwandeln und der Mond in Blut, bevor der Tag Jahwes kommt, der große und schreckliche“ (Joel 3, 3 -4). So wird es sein, wenn nach dem Wort Jesu „Himmel und Erde werden vergehen“ (Matthäus 24,35). So „… wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb in der Nacht; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke; die darauf sind, werden nicht mehr zu finden sein“ (2. Petrus 3,10).
Diese Zukunft deutet sich schon bei Joel in der Naturkatastrophe und bei der Verwüstung des Landes durch die Feinde Israels an.
Doch bei diesen schrecklichen Zukunftsaussagen bleibt der Prophet nicht stehen. Nicht nur er ruft zu Gott und ruft das Volk zur Buße auf, sondern er verkündet schon:
“Es soll geschehen: Wer des Herrn Namen anrufen wird, der soll errettet werden“ (Joel 3,5).
Welch eine Einladung Gottes, nicht bis zum Ende der Welt zu warten, sondern heute schon darauf einzugehen!
Siegward Busat